Multifunktionelle Waldwirtschaft

Stellungnahme des Österreichischen Forstvereins (1992)

Im Waldland Österreich wird fast die Hälfte der Landesfläche von der Forstwirtschaft verantwortlich gestaltet. Im Zuge der nachhaltigen Holzproduktion stellt die Waldwirtschaft bedeutende Leistungen für die Allgemeinheit zur Verfügung. Die Schutz-, Wohlfahrts- und Erholungswirkungen des  Waldes sind im Gebirgs- und Fremdenverkehrsland Österreich unabdingbar.

Die Sorge um den Zustand und die Erhaltung des Waldes in einer Zeit ständig steigender und mancherorts schon übermäßiger Inanspruchnahme seiner vielfältigen Funktionen ist Anlass für eine Stellungnahme des Österreichischen Forstvereins zu grundlegenden Fragen der Mehrfachnutzung des heimischen Waldes. Ziel ist der waldkonforme Interessensausgleich jeglicher Nutzungen seiner Funktionen. Es gilt, Wege zu einer ökologisch, ökonomisch und sozial verträglichen, multifunktionellen Waldwirtschaft zu finden.

Wald und Tourismus

Stellungnahme des Österreichischen Forstvereins (1992)

 

Der Wald bietet vielfach Nutzen, aber seine Belastbarkeit hat Grenzen.

Es gibt vielfältige Nutzen des Waldes. Zu seinen Nutzern zählt bei weitem nicht nur der Personenkreis aus Forst-, Jagd- und Holzwirtschaft. Zumindest mittelbar nutzt in jeder Einzelne der Gesellschaft mit und der Kreis der unmittelbaren Nutzer wird immer größer. So kennt das Forstrecht vier Kategorien der Wirkungen des Waldes, die einen Nutzen stiften. Die betriebswirtschaftliche Produktion ökonomisch verwertbaren Holzes wird dabei als Nutzfunktion normiert, wogegen die vor allem gemeinwirtschaftlich Nutzen stiftenden Funktionen als Schutz-, Wohlfahrts- und Erholungswirkungen definiert sind.

Darüberhinaus wird der Wald als Ökosystem mit seiner Vielfalt an Formen, Arten und Biotopen zumindest auf einzelnen, konkreten Flächen zunehmend als besonders schützenswerter Teil der Umwelt betrachtet.

Die katastrophalen Folgen rücksichtsloser Holznutzungen früherer Jahrhunderte haben der nachhaltigen Holzproduktion mitteleuropäischen Stils Pate gestanden. Heute setzen die teilweise schon überbordenden Ansprüche der Gesellschaft an seine Infrastrukturleistungen dem Wald aber auch den für ihn verantwortlichen Forstbetrieben hart zu. Die gesellschaftliche Entwicklung mit ihren Megatrends der Umweltverschmutzung, des Siedlungsdrucks, der touristischen Vollerschließung und der Entwicklungsspirale von Wohlstands- und Freizeitgesellschaft bedingt sowohl qualitativ als auch quantitativ stark steigende Ansprüche an den Wald, speziell in Bezug auf seine Schutz-, Wohlfahrts- und Erholungsfunktionen.

Die Überbeanspruchung seiner Wohlfahrtswirkungen führt mancherorts schon zu seiner existenziellen Bedrohung. Die Immissionsbelastungen überfordern die nachhaltige Kapazität der Filterung von Luft und Wasser. Die unter den Schlagworten „Waldsterben“ und „neuartige Waldschäden“ bekannten Folgen stellen eine enorme Gefährdung für die Gesundheit und den Bestand des Waldes dar. Davon ist aber nicht nur die forstliche Urproduktion wirtschaftlich betroffen. Auch das Potential der Schutz-, Wohlfahrts- und Erholungswirkungen ist unmittelbar in Gefahr. Die durch die Art der jagdlichen Nutzung mitbedungenen Wildschäden beschränken sich ebenfalls nicht auf betriebswirtschaftliche Einbußen für die Forstbetriebe. Auch diesbezüglich gibt es Krisengebiete, wo der Bestand des Waldes und die Grundlagen seiner Wirkungen in Gefahr stehen. Zunehmend werden die ökologischen und landeskulturellen Belastungsgrenzen aber auch druch touristische Übernutzung deutlich überschritten; mit entsprechenden Folgen für den Waldzustand, die Produktionskraft des Waldbodens, die Ertragsfähigkeit der Holzproduktion und die Kapazität bezüglich der Wohlfahrts- und Schutzwirkungen.

Angesichts seiner historischen Beeinflussung und Nutzung durch die Menschen und der zunehmenden virulenten, vielfältigen Gefährdungen bedarf der Österreichische Wald in besonderem Maße des Schutzes und der Pflege, wie es wohl am besten durch seine nachhaltige Bewirtschaftung seitens der Eigentümer sichergestellt werden kann.

 

Steigende Nutzungsinteressen und begrenzte Kapazitäten bedingen einen Regelungsbedarf zum Schutz der Ressourcen.

Über ein bestimmtes Ausmaß hinaus ist die gleichzeitige Inanspruchnahme der Leistungen des Waldes konfliktträchtig im Sinne einer Konkurrenz um die begrenzt leistungsfähige Ressource „Wald“. Diese Konflikte bestehen aber nicht nur zwischen der Holzproduktion und anderen Nutzungen, sondern auch zwischen verschiedenen Arten der Erholungsnutzung sowie zwischen touristischer Nutzung einerseits und Wohlfahrts- oder Schutzinteressen andererseits. Besonders sensibel ist etwa auch das Beziehungsgefüge zwischen verschiedenen Arten des Tourismus und der jagdlichen Bodennutzung. Neben der unmittelbaren Störung des Jagdbetriebs kann auch der Wald als Lebensraum des beeinträchtigten Wildes durch vermehrte Wildschäden aufs schwerste in Mitleidenschaft gezogen werden. Naturschutzinteressen werden oft unqualifiziert und unter Mißachtung der natürlichen Dynamik der Waldökosysteme als Forderung nach Konservierung bestehender Zustände formuliert. Gerade diese statischen Schutzvorstellungen verschärfen allerdings die Interessensgegensätze mit der traditionellen Urproduktion.

Bei der Analyse aller dieser Nutzungskonflikte ist zu berücksichtigen, dass die Waldfläche nicht Niemandsland ist. Bei jeder Waldfläche handelt es sich grundsätzlich um ein forstliches Betriebsgelände und damit um eine Produktions- und Arbeitsstätte. Ein gewisses Maß an Leistungen für die Allgemeinheit ist durch die Sozialpflichtigkeit des Waldeigentums gesetzlich verankert. Die sogenannten „Infrastrukturleistungen“ der Forstwirtschaft werden angesichts des stark steigenden Nutzungsinteresses und der begrenzten Ressource jedoch zunehmend zu knappen Gütern. Diese Dienstleistungen werden heute vielfach entweder durch normative Akte der Behörden (Verordnungen, Bescheide) oder durch individuelle Aneignung im Sinne einer Inanspruchnahme vermeintlich öffentlicher Rechtsgüter den entsprechenden Interessen der Allgemeinheit nutzbar gemacht. Derartige, legistische oder faktische Eingriffe in die Verfügungsgewalt des Waldeigentums führen tendenziell zu einer Verschärfung des Konfliktes zwischen der forstlichen Urproduktion und den gesellschaftlichen Nutzungsinteressen.

Erschwerend kommt hinzu, dass die langfristige Wirtschaftsentwicklung im Holzproduktionsbetrieb die Forstbetriebe immer mehr zu Extensivierung und Rationalisierung zwingt. So steht die wirtschaftlich gebotene Personalreduktion im Bereich der Verwaltung im Widerspruch mit den steigenden Organisations- und Koordinationsaufgaben, welche die gesellschaftlichen Nutzungsinteressen auch derzeit schon in immer höherem Maße für den Forstbetrieb bedingen. Eine gesamtwirtschaftlich optimale Nutzung sämtlicher Leistungspotentiale des Waldes droht somit an der Disparität erwerbswirtschaftlicher Holzproduktion auf der einen Seite und sozialpflichtig zu erbringender Infrastrukturleistungen andererseits zu scheitern. Es besteht somit dringender Regelungsbedarf im Interesse einer optimalen und nachhaltigen Nutzung der Leistungen des Waldes.

 

Ein ordnungspolitischer Rahmen ist wichtig, bietet aber alleine noch keine ausreichende Perspektive für eine echte, multifunktionelle Waldwirtschaft.

Die sogenannte Nutzfunktion des Waldes im Sinne der Urproduktion des Rohstoffes Holz unterliegt einem vergleichsweise strengen Wirtschaftsrecht (Forstgesetz), das im Interesse der Allgemeinheit ein ganzes Bündel von Nutzungseinschränkungen postuliert. Die traditionelle Waldwirtschaft wird darüberhinaus durch verschiedene andere Rechtsvorschriften (z. B. Wasserrecht, Naturschutzrecht, Nationalparkgesetze) in ihrem Handlungsspielraum zunehmend eingeschränkt. Die gesetzlichen Regelungsansätze für die Nutzung der infrastrukturellen Leistungen (z.B. Bannwald-, Schutzwald- und Erholungswaldbestimmungen) beruhen auf der Vorstellung einer zu entschädigenden Urproduktion. Zur Zeit mangelt es daher noch am ordnungspolitischen Rahmen, der eine gesellschaftlich, ökologisch und erwerbswirtschaftlich vertretbare Regulierung der Mehrfachnutzung des Waldes im Sinne einer multifunktionellen Produktionswirtschaft sicherstellen könnte. Einen besonders akuten Problembereich bilden die vor allem im Zusammenhang mit den verschiedenen Formen der Erholungsnutzung relevanten
Haftungsfragen.

Andererseits reichen die vorhandenen Rechtsgrundlagen zum Schutze des Waldes und des Eigentums alleine nicht aus. Ein grundsätzliches Problem jeglicher forstpolizeilicher Normen ist die faktische Unmöglichkeit einer effektiven Kontrolle. Es handelt sich in der Praxis daher
vielfach nur um Scheinlösungen, da die Schwierigkeiten des Vollzugs der Herstellung eines rechtmäßigen Zustands entgegenstehen.

 

Es liegt in der Kompetenz der Forstwirtschaft, den Wald so zu gestalten, dass er die gesellschaftlich vordringlichen Waldfunktionen optimal erfüllt.

Die Nutzungsinteressen der Allgemeinheit manifestieren sich prinzipiell in dreierlei Anforderungen:

  • Unterlassungsanspruch (z. B. manche Naturschutzforderungen)
  • Duldungsanspruch (z. B. touristische Nutzungen wie Radfahren)
  • Gestaltungsauftrag (z. B. Erholungseinrichtungen, Schutzwald)

Für alle drei dieser Kategorien gibt es einen rechtlichen Rahmen, der die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit des Waldeigentums von vorneherein eingrenzt. Viele Nutzungsinteressen gehen aber zunehmend über diesen Rahmen hinaus und haben daher – trotz vielfach anderem, subjektiven Rechtsempfinden – keinen legistisch-normativen Hintergrund. Das gesellschaftliche Interesse an spezifischen Waldfunktionen muss sich überall dort in entgeltlichen Gestaltungsaufträgen manifestieren, wo ein bestimmtes Nutzungsinteresse nur durch spezielle Maßnahmen im Wald befriedigt werden kann. Es handelt sich dabei um auftragskonform zu erbringende Dienstleistungen, die zu ihrer optimalen Bereitstellung über ihren Knappheitspreis den Waldbesitz zu entsprechenden Maßnahmen motivieren müssten.

Der Ausgleich der verschiedenen Nutzungsinteressen am Wald sollte dabei prinzipiell dem zivilrechtlichen Vertrag vorbehalten bleiben, wobei es dem Eigentümer grundsätzlich freigestellt sein muss zu entscheiden, ob und welche Rechte er wem einräumt. Derartige, privatwirtschaftliche Nutzungsregelungen müssen allerdings strikt nach dem Grundsatz quantitativer und qualitativer Walderhaltung erfolgen. Die Forstwirtschaft mit ihrer fachlichen und rechtlichen Kompetenz zur Gestaltung des Waldes muss sich daher im wirtschaftlichen sowie im übergeordneten Interesse vom passiven Leidtragenden zum aktiven Marktpartner wandeln. Derzeit fehlen allerdings weitgehend die ökonomischen Voraussetzungen für eine produzierte Infrastruktur.

 

Die für Österreich typische, privatwirtschaftliche Tradition der Forstwirtschaft ist eine wichtige Basis für die Dienstleistungsproduktion im Wald.

Die Waldwirtschaft in Österreich ist innerhalb der forstgesetzlichen Schranken überwiegend von einer traditionellen Waldgesinnung geprägt, die ihrerseits die Nachhaltigkeit in besonderem Maße sichert und einem allfälligen, erwerbswirtschaftlich motivierten Raubbau an der Ressource Wald und seinen Produktionsgrundlagen zusätzlich entgegenwirkt. Diese, durchaus im Interesse der Allgemeinheit stehenden, „freiwilligen Sozialleistungen“ tragen wesentlich zu dem hohen Stellenwert des Waldes in den Bereichen Naturschutz und Landschaftspflege bei und fördern vielfach auch seine Schutz-, Wohlfahrts- und Erholungsfunktionen. Die überwiegend gegebene, traditionelle Bindung des Waldeigentümers an seinen Grundbesitz wirkt gemeinsam mit dem Streben nach Substanzerhaltung für künftige Generationen und der oft nur bedarfsorientiert beanspruchten Einkommensfunktion (Sparkassenfunktion der aussetzend bewirtschafteten Kleinwaldbetriebe) grundsätzlich positiv für den Waldzustand. Das in der Forstwirtschaft fest verankerte Nachhaltigkeitsdenken ist mit einer Wirtschaftsweise kurzfristigen der Gewinnmaximierung unvereinbar.

Dieser faktische Ausfluss des privatwirtschaftlichen Waldeigentums darf bei einer verstärkten Inanspruchnahme der Dienstleistungsfunktionen durch die Gesellschaft nicht verloren gehen. In diesem Zusammenhang besteht die Gefahr, dass eine ordnungspolitische, allgemeine
Ausweitung von Nutzungsrechten der Allgemeinheit am und im Wald das Interesse der Eigentümer an einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung zunehmend frustriert. In diesem Falle müsste mit weitreichenden, negativen Folgen für den Zustand und die Leistungsfähigkeit des Waldes gerechnet werden. Es steht daher vielmehr im Interesse des Waldes und der Optimierung seiner Nutzungen, wenn entsprechende Anreize zur aktiven Bereitstellung der gefragten Leistungen an den Waldbesitz herangetragen werden. Erzwungene Duldung ist weder von Seiten der Ressourcenökonomie noch hinsichtlich der Effektivität ein Ersatz für aktive Gestaltung.

 

An Stelle der Kielwassertheorie muss in Zukunft die Theorie der kombinierten Ur- und Dienstleistungsproduktion im Wald stehen.

Die im Zuge ordnungsgemäßer Urproduktion anfallenden, gesellschaftlichen Nutzungspotenziale werden durch die steigenden Ansprüche zunehmend überfordert. Angesichts des immer größeren Bedarfs nach forstlichen Infrastrukturleistungen erscheint es daher angezeigt, diese gezielt zu produzieren. Andernfalls kann das qualitative Leistungsniveau bei steigendem Konsum nicht aufrecht erhalten werden. Die sogenannte „Kielwassertheorie“ beschreibt die Kuppelproduktion von Holzproduktion einerseits und den verschiedenen infrastrukturellen Leistungen bzw. Nutzungspotentialen des Waldes und der Waldwirtschaft andererseits. Sie besagt nichts anderes, als dass die ökonomisch orientierte Holzproduktion Kuppelprodukte, die grundsätzlich im öffentlichen Interesse liegen, in gewissem Umfang bereitstellt. Es handelt sich damit um sogenannte positive externe Effekte der Waldwirtschaft. Unbeschadet davon sind aber mit der immer intensiveren Nutzung mancher dieser Potentiale durch die Allgemeinheit für den Forstbetrieb Belastungen im Sinne von erhöhten Kosten und verminderten Erträgen verbunden.

Demgegenüber handelt es sich bei der gezielten Bereitstellung von sogenannten „überwirtschaftlichen Funktionen“ um eine zur Rohstoffbereitstellung oder anderen Gestaltungszwecken konkurrierende Produktion. Voraussetzung dafür ist eine Änderung des Betriebszieles sowie eine entsprechende Anpassung der Bewirtschaftungsgrundsätze. Derartige, betriebsinterne Normen können über ein gewisses Maß hinaus nicht durch bloßen Verweis auf die Sozialpflichtigkeit bedungen werden (z. B. freiwillige Duldungen im Interesse der Allgemeinheit). Angesichts der zentralen, erwerbswirtschaftlichen Relevanz dieser Fragen für den Waldbesitzer erfordert dies einen vom Markt ausgehenden, ökonomischen Anreiz.

 

Die Situation verlangt eine ökologisch und sozial verpflichtete, marktwirtschaftliche Regulierung der verschiedenen Nutzungsinteressen am Wald.

Es entsteht im Interesse der Walderhaltung, dass dem gesellschaftlichen Wandel in der Wertung des Waldes möglichst bald auch ein ökonomischer Wandel folgt. Auch die ideell und faktisch sehr wertvollen Dienstleistungen sollten zum Einkommen beitragen und damit zur spezifischen Produktion und nachhaltigen Waldpflege motivieren. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Dienstleistungen des Waldes im Kielwasser einer wirtschaftlich immer schwächeren Holzproduktion gleichsam am Trockenen liegenbleiben. Exemplarisch dafür ist etwa die Schutzwaldproblematik. Für eine gesellschaftlich optimale, multifunktionelle Waldwirtschaft muss der volkswirtschaftliche Wert konkurrierender Produktionen dem Eigentümer als potentiellem Anbieter durch entsprechende Marktpreise signalisiert werden. Dazu ist es aber unabdingbar, dass von Seiten der Nachfrage entgeltliche Verhandlungslösungen initiiert werden. Beispielhaft kann hier das Modell des Vertragsnaturschutzes angeführt werden.

Für Bewertungsansätze zur Preisfindung sind die Opportunitätskosten der uneingeschränkten Holzproduktion somit nur im Sinne von Richtwerten für die Kotenpreiskalkulation relevant. Ein reines Entschädigungsdenken das ausschließlich an der Ertragsmöglichkeit der Holznutzung orientiert ist, kann die gesellschaftlichen Prioritäten nicht zum Ausdruck bringen und wirkt letztlich leistungsindifferent. Die konkreten Werte müssten sich daher aus dem Interessensabgleich zwischen Leistungsbereitschaft des Anbietenden einerseits und Zahlungsbereitschaft des Interessenten andererseits, ergeben. Auch und gerade für eine optimale Leistungsfähigkeit des Waldes in Bezug auf seine Schutz- und Wohlfahrtsfunktionen ist daher vom reinen Entschädigungsdenken abzugehen. Ein überwiegender Betriebszweck derartiger Produktionen kann nicht durch normative Einschränkungen des Holzproduktionsbetriebes oktroyiert werden. Neben der ökologischen und gemeinwirtschaftlichen Sinnhaftigkeit muss vielmehr auch die einzelwirtschaftlich ökonomische Zweckmäßigkeit derartiger Alternativproduktionen über einen ökosozial regulierten Marktmechanismus der Forstwirtschaft plausibel gemacht werden. Dabei ist zu beachten, dass in diesem Zusammenhang mitunter bedeutende traditionelle und emotionale Schranken auch auf Seiten des Waldeigentums zu überwinden sind.

Für die Infrastrukturleistungen des Waldes bestehen allenfalls in lokalen Ansätzen Marktstrukturen. Überwiegend stehen sich noch das Waldeigentum und die an einer weitergehenden Nutzung Interessierten anonym gegenüber. Dieser Zustand ist vor allem durch aktive Öffentlichkeitsarbeit der Forstbetriebe und forstlichen Interessensvertretung auf der einen Seite und die Organisation der Nutzerinteressen in Interessensgemeinschaften andererseits zu überwinden. Im Bereich touristischer Nutzung sind Formen des Lizenzwesens denkbar, wobei auch die autorisierten Nutzer die Kontrolle rechtmäßiger Inanspruchnahme der Leistungen mit wahrnehmen.

Vor allem im Kleinwald bzw. bei Gemengelage von Waldeigentum überschneiden funktionelle Einheiten vielfach die Eigentumsgrenzen (vgl. Schutzwaldkomplex, zweckmäßiger Reit- oder Radfahrroute). Für die sinnvolle Bereitstellung derartiger Infrastruktur sind daher auch entsprechende Kooperationen notwendig. Hier gilt es, ein entsprechendes Kooperationswesen zu regeln, zu initiieren und zu fördern. In diesem Zusammenhang kann auch in Analogie an die Bringungsgenossenschaft mit Beitrittszwang an eine gesetzlich zu verankernde Dienstleistungsgenossenschaft gedacht werden. Damit würde auch auf Seiten der Produzenten ein testatfähiger Ansprechpartner entstehen.

 

Die Dienstleistungsproduktion im Rahmen einer multifunktionellen Waldwirtschaft ist eine strategische Option für die Forstwirtschaft.

Nur wenn dem gesellschaftlichen Bedürfnis nach den Waldfunktionen im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit gezielt Rechnung getragen wird, können die Interessen des Waldes auch auf politischer Ebene erfolgreich vertreten werden. Eine vertikale Kooperation zwischen der Forstwirtschaft einerseits und den Interessensgruppen andererseits sowie eine horizontale Kooperation zwischen Forstbetrieben bei der Herstellung der Leistungsbereitschaft ist im gesamtwirtschaftlichen Interesse aber auch im Hinblick auf einen möglichst schonenden Umgang mit dem Wald angezeigt. Im Interesse der Walderhaltung ist also dringend auf eine entsprechende Bewusstseinsbildung auf beiden Seiten hinzuwirken. Dies erfordert die konsequente Weiterführung des bislang nur initialen Umdenk-Prozesses. Es gilt, die wertvolle Ressource Wald nachhaltig zu sichern und in Hinblick auf den größtmöglichen Gesamtnutzen zu gestalten.

Im Interesse einer langfristigen Erhaltung und hochwertigen Nutzung des heimischen Waldes bedarf es noch auf allen Ebenen intensiver Aufklärung. Weder eine zügellose Vermarktung von Dienstleistungen, etwa an den Tourismus, noch eine entschädigungslose Sozialisierung der Nutzungsrechte am Wald bietet hier eine tragfähige Perspektive. Die im Rahmen eines entsprechenden Wirtschaftsrechtes erfolgende, kombinierte Ur- und Dienstleistungsproduktion im Wald eröffnet allerdings eine strategische Chance für eine ökologisch, ökonomisch und sozial verträgliche Waldwirtschaft im 21. Jahrhundert.

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