Positionierung zur Naturschutzpolitik in Österreich (2017)

Als eine unabhängige, keinen partikulären Wirtschafts- oder Standesinteressen verpflichtete Organisation tritt der Österreichische Forstverein auf Grundlage seiner umfassenden forstfachlichen Kompetenz für die Erhaltung des österreichischen Waldes und die nachhaltige Sicherung seiner vielfältigen Wirkungen ein. Manche der aktuellen, naturschutzpolitischen Entwicklungen geben Anlass zur Sorge, dass zentrale Grundlagen der bisher so erfolgreichen, multifunktionalen Waldwirtschaft in Frage gestellt werden. Damit wären aber erhebliche, nachteilige Auswirkungen für das sensible Wirkungsgefüge zwischen Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft verbunden. Aus diesem Grund bezieht der Österreichische Forstverein in Ergänzung zur „Raidinger Deklaration“ des waldbasierten Sektors in Österreich wie folgt Stellung:

Positionierung zur Naturschutzpolitik in Österreich (2017)

 

Ausgangslage

Österreichs Wälder sind bereits über Jahrhunderte hinweg durch den Menschen und seinen Einfluss auf natürliche Strukturen und Prozesse geprägt und damit integraler Bestandteil der heimischen Kulturlandschaft. Trotz der durchaus wechselvollen Geschichte menschlicher Nutzung und indirekter Einflussnahme werden zwei Drittel des Waldes aktuell als natürlich oder nur mäßig verändert klassifiziert.

Österreichs Wälder bieten bedeutende und vielgestaltige Lebensräume auch für eine große Zahl seltener und gefährdeter Arten. Dies kommt u.a. darin zum Ausdruck, dass rund 42 % der Natura 2000-Kulisse Wald sind. Aktuell umfassen die ausgewiesenen Natura 2000 Gebiete rund 13 % des österreichischen Waldes. Der „Biodiversitätsindex Wald“ belegt zudem eine landesweit positive Entwicklung während der letzten Jahrzehnte. Darüber hinaus sind Waldflächen im Ausmaß von rund 30.000 ha im Rahmen von Nationalparken, Wildnis- und anderen Schutzgebieten sowie dem Österreichischen Naturwaldreservatenetz der Sicherung besonders erhaltenswerter Strukturen sowie der Erforschung natürlicher Prozesse gewidmet.

Auf Eigeninitiative beruhend, unentgeltlich und somit nicht systematisch dokumentiert, gesellschaftlich dafür umso bedeutsamer sind zudem freiwillige Nutzungsverzichte, Rücksichtnahmen und Maßnahmen im Interesse des Naturschutzes seitens der WaldeigentümerInnen und WaldbewirtschafterInnen. Auch Partnerschaften zwischen WaldeigentümerInnen bzw. deren Vertretungen mit konsensorientierten Naturschutzgruppen haben eine lange Tradition und schon viele erfolgreiche, gemeinsame Initiativen und Naturschutzprojekte hervorgebracht.

So war bis in die jüngere Vergangenheit auch die Naturschutzpolitik überwiegend vom Konsens aller Beteiligten geprägt. Sachlichkeit, Weitblick, gegenseitige Wertschätzung und wechselseitiges Vertrauen sind dafür essenziell. Diese über lange Zeit und manchmal auch durchaus mühsam erarbeitete Basis wurde aber durch die Art der hoheitlichen, föderalen Umsetzung von Natura 2000 jedenfalls in mehreren Bundesländern konterkariert und hat große Betroffenheit, Verunsicherung und letztlich auch Misstrauen bei WaldeigentümerInnen und Forstleuten hervorgerufen.

Mangelnde Partizipation, Intransparenz, Informationsdefizite und Kommunikationsmängel stellen einen fairen Ausgleich zwischen Naturschutz und anderen Nutzungsinteressen am Wald in Frage. Verschärft wird diese Situation durch von einzelnen Lobbyinggruppen zusätzlich und einseitig lancierte Forderungen nach weiteren, großflächigen Außernutzungsstellungen von Waldflächen. Die multifunktionale, ressourcenschonende und nachhaltige Nutzung des Waldes erscheint dadurch ernsthaft gefährdet.

 

Grundsätze

Naturschutz im Sinne der Erhaltung und gegebenenfalls auch Förderung der Biodiversität soll integraler Bestandteil nachhaltiger Waldwirtschaft in Österreich sein.

Der Österreichische Forstverein anerkennt die Bedeutung der bestehenden Naturschutzflächen mit segregativem Ansatz, wie Nationalpark-Kernzonen und anderen Wildnisgebieten. Er spricht sich aber klar gegen großflächige Erweiterungen derartiger Flächenkategorien aus, da dies im Widerspruch zu einer ausgewogenen und nachhaltig multifunktionalen Nutzung des Waldes stehen würde. Die große Dichte und bedeutende Vielfalt von sich überlagernden Nutzungsinteressen steht dem ebenso entgegen, wie die Erfordernisse des Waldmanagements im Lichte des Klimawandels.

Die nachhaltige Holzproduktion ist aus ökonomischen, sozialen und auch ökologischen Gesichtspunkten das Rückgrat multifunktionaler Waldwirtschaft. Mit der bestmöglichen Substitution nicht erneuerbarer bzw. fossiler Rohstoffe wird ein wesentlicher Beitrag zur Abmilderung des Klimawandels und in weiterer Folge auch zur Sicherung der Waldbiodiversität geleistet. Aktives Waldmanagement ist zudem gefragt, um die Wälder für die Zukunft „klimafit“ zu gestalten. Waldpflege ist nicht nur mit tausenden Arbeitsplätzen im ländlichen Raum verbunden, sondern sichert auch die nötige Stabilität der Wälder und deren vielfältige Leistungen.

Der Österreichische Forstverein sieht in den etablierten, rechtlichen Rahmenbedingungen sowie höchstmöglicher Rechtssicherheit für alle Stakeholder eine wichtige Grundlage für einen fairen Interessenausgleich. Ein Generationen übergreifendes, nachhaltig multifunktionales Waldmanagement beruht auf dem Vertrauen der WaldeigentümerInnen und Forstleute in den Rechtsstaat und soll nicht durch Verunsicherung in Bezug auf allfällige Entschädigungs- bzw. Abgeltungsansprüche oder die legistische Verlagerung von Verfügungsrechten hin zu anderen Interessengruppen gefährdet werden.

Waldnaturschutzpolitik soll sich wieder der gemeinsamen Interessen von Forstwirtschaft und Naturschutz besinnen und auf diesen aufbauen. Dies gilt zum Beispiel für ausgeglichene Wald – Wild – Verhältnisse, die drastische Minderung luftbürtiger Stickstoffeinträge in die Waldökosysteme oder für die Rettung der massiv vom Triebsterben bedrohten Baumart Esche. Die Konkretisierung von Zielen und Vorhaben soll im Rahmen eines verbindlichen, sachlich und ergebnisorientiert geführten Dialogs erfolgen.

Der Österreichische Forstverein begrüßt die partizipative Entwicklung regionaler Biodiversitätsleitbilder, wie sie schon in der Österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie festgeschrieben worden sind. Dabei sind naturschutzfachliche Daten und Ziele für konkret abgegrenzte Regionen gegenüber allen Betroffenen offen zu legen. Ein fairer Interessenausgleich unter Wahrung der bestehenden Verfügungsrechte soll zu konsensualen, demokratisch legitimierten Zielvereinbarungen führen.

Die in Österreich etablierten, hohen Standards der Waldbewirtschaftung dürfen die Wettbewerbsposition des holzbasierten Sektors nicht gefährden. Es sind daher alle Bemühungen zu unterstützen, die darauf abzielen, internationale Marktverzerrungen durch Ökodumping bei Holz und Holzprodukten zu unterbinden.

 

Forderungen

Das Vorkommen naturschutzfachlich wertvoller Waldgebiete in einer jahrhundertealten Kulturlandschaft ist der überwiegend sehr hohen Waldgesinnung und freiwilligen Rücksichtnahme seitens der EigentümerInnen und BewirtschafterInnen zu verdanken. Diese Grundlage nachhaltiger, multifunktionaler Waldwirtschaft ist anzuerkennen und im Sinne der Sicherung von deren Flächenkompetenz und Bewirtschaftungsrechten zu erhalten und nach Möglichkeit zu stärken.

  • Naturschutzfachlich begründete Maßnahmen, Auflagen oder Einschränkungen sind wo immer möglich im Sinne des Vertragsnaturschutzes auf freiwilliger Basis zu vereinbaren und jedenfalls angemessen abzugelten.
  • Es sind Rahmenpläne zu entwickeln, die Ziele und Prioritäten des Naturschutzes im Wald definieren, die Finanzierungserfordernisse quantifizieren und deren zeitlich abgestimmte Bedeckung spezifizieren.
  • Biodiversitätsleitbilder sind grundsätzlich partizipativ, d.h. unter Einbindung aller Stakeholder und unter besonderer Berücksichtigung der Rechte und Interessen der betroffenen WaldeigentümerInnen und BewirtschafterInnen zu entwickeln.
  • Die synergistischen Potenziale zwischen föderalen Maßnahmen des Naturschutzes im Wald einerseits und dem Österreichischen Naturwaldreservateprogramm als spezifischer, forstfachlicher Initiative des Bundes andererseits sind durch Informationsaustausch und abgestimmte Planung bestmöglich zu nutzen.
  • Durch spezifische Intensivierung von Ausbildung, Öffentlichkeitsarbeit und Beratung sind alle Stakeholder und Entscheidungsträger für das komplexe Wirkungsgefügezwischen nachhaltiger, multifunktionaler Waldwirtschaft und Naturschutz zu sensibilisieren und zu informieren.
  • Mitgetragen von den WaldbewirtschafterInnen soll eine waldökologische Plattform als Kompetenzzentrum und Servicestelle für naturschutzfachliche Planungswerke, spezifische Mediationen und Kommunikation etabliert werden.

 

Spezifische Forderungen betreffend die Umsetzung von Natura 2000

  • Es ist auf eine bundesweite Mindestharmonisierung der wesentlichen Rechtsbestimmungen betreffend Natura 2000 hinzuarbeiten, wie zum Beispiel Begriffsdefinition, Beteiligung der Betroffenen, Gebietsausweisung, Entschädigungsregelung und Leistungsabgeltung, Maßnahmenplanung, Evaluierung und Berichterstattung.
  • Es ist eine allgemein anerkannte bundesweite „Wald-Naturschutz-Koordinierungsstelle“ zur optimierten Umsetzung der geltenden naturschutzrechtlichen Vorschriften unter Federführung der zuständigen Bundesländer einzurichten.
  • Alle fachlichen Unterlagen für Gebietsausweisungen sind offenzulegen. Transparente und geordnete Begutachtungsverfahren sind sicherzustellen.
  • Zusätzliche Gebietsausweisungen sind auf vor Ort tatsächlich nachgewiesene Vorkommen der zu schützenden Arten und Lebensräume in rechtskonformer Weise zu beschränken.
  • Sowohl die Expertise von Waldökologen der etablierten forstfachlichen Institutionen als auch das traditionelle Wissen der WaldbewirtschafterInnen ist bei der Gebietsausweisung sowie bei der rechtskonformen Entwicklung von Schutzgebietskonzepten einzubeziehen. Als Prämisse muss dabei gelten, dass die bisherige Bewirtschaftung grundsätzlich zulässig ist. Eine Österreich weite Umsetzung im Sinne einer Best practice nach dem „Modell Oberösterreich“ (§35 OÖ Landesnaturschutzgesetz) ist anzustreben.
  • Es sind fachlich fundierte Artensteckbriefe weiter zu entwickeln, die sowohl Synergien als auch konfligierende Zusammenhänge beim Schutz einzelner Arten im selben Lebensraum aufzeigen.
  • WaldbewirtschafterInnen und sonstige Forstfachleute sind bevorzugt mit den Aufgaben einer Gebietsbetreuung zu betrauen.
  • Studien über den „Günstigen Erhaltungszustand“ bzw. „Günstigen Erhaltungsgrad“ sind zu evaluieren und daraus abgeleitete Managementstrategien mit waldbaulichen Sichtweisen und Konzepten in Einklang zu bringen.

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