Raidiner Deklaration des waldbasierten Sektors in Österreich zu „Multifunktionale Waldbewirtschaftung und neue großflächige Außer-Nutzung-Stellungen“ (2012)

Der Wald prägt mit seinem hohen Flächenanteil die seit Jahrhunderten vom Menschen geformte Kulturlandschaft in Österreich. Die vielfältigen und stetig wachsenden Ansprüche der Gesellschaft zur Sicherung von Lebensqualität und Wohlstand werden durch eine multifunktionale Bewirtschaftung unserer Wälder erfüllt. Dazu gehören auch die bestehenden Waldschutzgebiete wie z. B. Nationalparks, Biosphärenparke und Naturwaldreservate, deren Bedeutung unbestritten und deren Bestand zu wahren ist.

Vermehrt werden in Diskussionen auf europäischer Ebene und auch in Österreich einseitige Forderungen nach Wildniskonzepten und weiteren großflächigen Außer-Nutzung-Stellungen von Wäldern erhoben. Forderungen, die in nicht oder sehr dünn besiedelten Gebieten anderer Kontinente ihre Berechtigung haben. Eine nachhaltige Entwicklung in Europa setzt aber die Berücksichtigung aller ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekte voraus. Insbesondere zur Abwehr des Klimawandels kommt der vermehrten Nutzung von Holz zum bestmöglichen Ersatz CO2-intensiver Materialien wie Beton und Stahl eine herausragende Bedeutung zu.

Raidiner Deklaration des waldbasierten Sektors in Österreich zu „Multifunktionale Waldbewirtschaftung und neue großflächige Außer-Nutzung-Stellungen“ (2012)

 

Um auch den nachfolgenden Generationen die Bereitstellung von Waldprodukten und aller im Forstgesetz verankerten Waldwirkungen (Nutz-, Schutz,- Wohlfahrts- und Erholungswirkung) zu sichern, nehmen der Österreichische Forstverein und die Kooperationsplattform Forst Holz Papier (FHP) mit nachfolgenden Ausführungen Stellung und fordern, dass

  1. die Grundsätze der multifunktionalen Waldbewirtschaftung uneingeschränkt anerkannt und die bestehenden Eigentumsrechte vollständig respektiert werden.
  2. die erfolgreiche multifunktionale Waldbewirtschaftung und die Leistungsfähigkeit der Wertschöpfungskette Holz in Österreich nicht nur beibehalten, sondern vielmehr gestärkt werden.
  3. die Auswirkungen neuer Außer-Nutzung-Stellungen von Waldflächen auf die vielfältigen Interessen der Gesellschaft umfassend geprüft und bewertet werden.
  4. der Prozessschutz auf jenen Flächen größere Aufmerksamkeit erfährt, die bereits für diesen Zweck unter Schutz gestellt wurden, wobei sicherzustellen ist, dass von Waldschutzgebieten keine zusätzlichen Gefährdungen z.B. durch Borkenkäfer ausgehen.
  5. das bestehende Netz an Naturwaldreservaten so ausgebaut wird, dass für jede natürliche Waldgesellschaft in jeder biogeographischen Region mindestens ein Reservat eingerichtet ist.
  6. die bestehende Plattform „Walddialog“ mit ihrer breiten Stakeholderbeteiligung für die weitere Behandlung dieses Themas verstärkt genutzt wird.

 

Steigende Anforderungen und vermehrte Zielkonflikte

Die nachhaltige Forstwirtschaft in Österreich erfüllt die gesellschaftspolitischen Forderungen nach den vielfältigen Leistungen des Waldes, die oft einander widersprechende Anforderungen an die Waldbehandlung richten. Die Klärung von Zielkonflikten und die sorgfältige Prüfung der Auswirkungen einzelner Wünsche auf die Erfüllung anderer Ansprüche sind notwendige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Waldbewirtschaftung und verantwortungsbewusste Waldpolitik. Zusätzliche, großflächige Außer-Nutzung-Stellungen von Wäldern wären mit diesen Grundsätzen nicht vereinbar.

 

Forstliche Maßnahmen zum Schutz der Natur und der Biodiversität

Die WaldbewirtschafterInnen haben die steigende gesellschaftliche Bedeutung von Natur- bzw. Biodiversitätsschutz schon frühzeitig erkannt und mit konkreten Maßnahmen im Wald unterstützt. Im Zuge der Waldbewirtschaftung wurden in den letzten 50 Jahren die Waldfläche, der Anteil an Laubbäumen und Mischbeständen sowie Naturverjüngung erhöht, durch vermehrt kleinflächige Nutzungen eine die Biodiversität fördernde Waldstruktur geschaffen, der Anteil von Totholz deutlich vergrößert und dabei gleichzeitig den Erfordernissen des Forstschutzes bestmöglich Rechnung getragen. Darüber hinaus wurden zusätzlich zu den gesetzlich festgelegten Schutzgebieten ausgewählte naturnahe Waldflächen als Naturwaldreservate zur Verfügung gestellt, in denen auf die forstliche Nutzung verzichtet wird.

 

Versorgung mit dem erneuerbaren Rohstoff Holz

In jüngster Zeit wurden auf europäischer und nationaler Ebene politische Strategien vereinbart, deren Ziele nur durch eine vermehrte Bereitstellung des nachwachsenden Rohstoffes Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern erreicht werden können. Allerdings zeigen aktuelle Studien für die nächsten Jahrzehnte eine zunehmende Lücke zwischen der Holznachfrage und dem nachhaltigen Holzaufkommen aus Wäldern innerhalb der EU. Daher sind Forderungen nach einer Verkleinerung der heute bewirtschafteten Waldfläche besonders sorgfältig auf ihre Auswirkungen auf andere Interessen der Gesellschaft zu prüfen, welche die Wirkungen des Waldes und insbesondere die Verfügbarkeit des nachwachsenden Rohstoffes Holz zum Inhalt haben.

 

Erfolgreiche Wertschöpfungskette Holz

Die in Österreichs Wäldern geerntete Holzmenge ist Grundlage für die heimische Wertschöpfungskette Holz. Mit einem Produktionswert von rund 12 Mrd. Euro und einem jährlichen Exportüberschuss von durchschnittlich 3,5 Mrd. Euro zählt der Wald- und Holzsektor zu den wichtigsten Stützen des Wirtschaftsstandortes Österreich. Die Wertschöpfungskette Holz bietet 292.000 Menschen in 172.000 Betrieben Einkommen. Durch die Ansiedlung in vorrangig strukturschwachen Gebieten werden Arbeitsplätze für tausende Menschen in den ländlichen
Regionen gesichert. Damit wird ein zentraler Beitrag zur Entwicklung des ländlichen Raumes und für eine nachhaltige, soziale und wirtschaftliche Entwicklung Österreichs erbracht. Holz liefert mit 41% den größten Beitrag zu heimischen erneuerbaren Energien. Dabei wird mehr als 50% der energetisch genutzten Holzmenge als Nebenprodukt durch Mehrfachnutzung (kaskadische Nutzungspfade) aus den holzverarbeitenden Industrien bereitgestellt.

 

Schlüsselrolle von Wald und Holz für den Klimaschutz

Die Vermeidung des Verlustes von Waldökosystemen und die Speicherung von Kohlenstoff in Holzprodukten sind wichtige Beiträge zum Klimaschutz. Aber auch die Substitution von Materialien, deren Herstellung mit hohen Treibhausgasemissionen verbunden ist, wirkt durch die sofortige Vermeidung von Kohlendioxydemissionen besonders positiv. Daher sind die vermehrte Verwendung von Holz, die Substitution fossiler Energieträger, die Reduktion des Energieverbrauches sowie die Steigerung der Energieeffizienz wichtige Bestandteile einer wirksamen Klimaschutzstrategie.

 

Schutz und Erholung für den Menschen

Die Schutzwirkungen des Waldes gegen Naturgefahren sind im Gebirgsland Österreich unverzichtbar für die Erhaltung des menschlichen Lebens- und Wirtschaftsraumes. Dies gilt auch für den Schutz von Infrastruktureinrichtungen und die Benützbarkeit von Landschaftsräumen für Erholung, Sport und Tourismus. Auf mehr als 400.000 ha sind aktive Vorbeugungs- oder Sanierungsmaßnahmen im Wald zur Sicherung bzw. Verbesserung der Objektschutzwirkung erforderlich.

 

Verantwortungsbewusste Waldbewirtschaftung in Österreich

Alle diese Entwicklungen und Maßnahmen sind Ergebnis und Beleg praktizierter multifunktionaler Waldbehandlung. Deren Fortführung ist das Ziel des waldbasierten Sektors. Dessen Leistungen haben zu ertragreichen, ökologisch wertvollen Wäldern geführt, den Lebens- und Wirtschaftsraum gesichert und zusätzlich eine innovative, wettbewerbsfähige holzverarbeitende Industrie als unverzichtbaren Teil der Wirtschaft unseres Landes ermöglicht. Entscheidende Voraussetzung dafür ist die aktive Waldbewirtschaftung, mit der plangemäß die natürliche Waldentwicklung auf die bestmögliche Erfüllung von definierten Zielen von Waldbesitz und Gesellschaft gelenkt wird.

 

Ungeeignete Ansätze mit hohen Risiken

Die Forderung nach Außer-Nutzung-Stellung großer Waldflächen und Umsetzung von Wildniskonzepten stellt die Fortführung dieses erfolgreichen Weges in Frage. Sie bedeutet eine Ausweitung der bereits bestehenden, rechtlich verankerten Flächenkategorien für Natur- und Biodiversitätsschutz. Der für ein Wildniskonzept zentrale Ansatz des Prozessschutzes ist bereits jetzt Ziel in den Kernzonen der National- und Biosphärenparke sowie Naturwaldreservate. Der Mehrwert durch neue Flächenkategorien in Österreich ist daher nicht nachvollziehbar.

Das Wildniskonzept beruht auf Erfahrungen in Weltregionen mit großflächig vorhandenen, natürlichen Landschaften ohne menschliche Siedlungen und Infrastruktur. Zum Unterschied von Nationalparken sind in einem Wildnisgebiet auf großer Fläche sämtliche menschlichen  ingriffe verboten. Die natürliche Lebensraumdynamik soll wirken ohne Störung durch den Menschen, zu denen neben Siedlungen und Infrastruktur auch Erholung, Jagd, Maßnahmen gegen Schädlinge und Waldbrände zählen. Das dicht besiedelte Österreich mit seiner bisherigen Landnutzung im Dienste der Gesellschaft bietet keinen geeigneten Raum für die zusätzliche Ausweisung derart großer Wildnisflächen. Das damit verbundene „Betretungs- und Störungsverbot“ hätte markant nachteilige Auswirkungen auf den Tourismus und die Freizeitnutzung durch die Bevölkerung. Maßnahmen zur Verbesserung und Sicherung der Schutzwirkung des Waldes gegen Naturgefahren wären auf großer Fläche nicht mehr möglich. Dies gilt auch für den Forstschutz, mit unabsehbaren Folgen auf die Multifunktionalität der angrenzenden Wirtschafts- und Schutzwälder. Beiträge zum Klimaschutz durch die Kohlenstoffspeicherung in Holzprodukten und Substitutionseffekte könnten nicht genutzt werden.

Eine Verringerung der heimischen, nachhaltigen Holzproduktion würde nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Holzindustrie gefährden, sondern zwangsläufig den Druck zur Rohstoffbeschaffung aus Regionen mit geringeren Waldbewirtschaftungsstandards vergrößern. Es ist Teil der internationalen Verantwortung Österreichs, das heimische Potenzial nachhaltiger Bereitstellung von Holz im Rahmen der multifunktionalen Waldbewirtschaftung bestmöglich zu nutzen.

 

Zielorientierte Lösung unter Beachtung der Rahmenbedingungen in Österreich

In den heimischen Wäldern leben rund zwei Drittel der in Österreich vorkommenden Tier- und Pflanzenarten. Mehr als die Hälfte von ihnen sind von der Bewirtschaftung direkt oder indirekt abhängig. Die Waldökosysteme sind durch den Menschen seit Jahrhunderten beeinflusst, regional fragmentiert und überwiegend im Eigentum privater Klein- und Kleinstwaldbesitzer. Daher kann das auf ungestörte Großflächen aufbauende Schutzkonzept der borealen und temperierten Zonen Nordamerikas und Asiens mit Außer-Nutzung-Stellung großer Flächen ausschließlich für Naturschutzzwecke in Österreich nicht angewandt werden. Vielmehr ist unter Berücksichtigung aller Anforderungen an den Wald ein komplexeres Konzept im Rahmen der multifunktionalen Forstwirtschaft umzusetzen, wie dies in Österreich seit Generationen erfolgreich praktiziert wird.

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