Am Rande des Europäischen Forum Alpbach haben Österreich und Schweden den Startschuss für einen gemeinsamen Aktionsplan für die europäische Wolfspolitik vorgelegt. Damit wollen Österreich und Schweden auch ihre Bereitschaft zeigen, proaktiv und konstruktiv an Lösungen zum Umgang mit großen Beutegreifern zu arbeiten und setzen damit einen wichtigen Meilenstein. Angesichts massiv steigender Risszahlen fordern die Staaten einen politischen Schulterschluss und eine europäische Lösung zum Erhalt der Alm- und Weidewirtschaft. Die zunehmende Wolfspopulation hat vielen Bäuerinnen und Bauern Sorgen bereitet und im Jahr 2023 vermehrt zu Angriffen auf Nutztiere in Südschweden geführt, wo es besonders viele Bauernhöfe gibt. Im Detail starten Österreich und Schweden mit zwei wesentlichen Forderungen an die Europäische Kommission und das Europäische Parlament. Erstens muss der strenge Schutzstatus des Wolfes gemäß der Fauna-Flora-Habitat Richtlinie einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Zweitens soll eine Plattform geschaffen werden, die es ermöglicht, Wissen und Erfahrungen schneller mit anderen Mitgliedsstaaten zu teilen, wie beispielsweise DNA-Analysen und Auswertungsmethoden.

Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig

„Fakt ist: Mit einer geschätzten Individuenanzahl von rund 19.000 Tieren ist der Wolf in Europa nicht mehr vom Aussterben bedroht. Seine Ausbreitung betrifft nahezu alle EU-Mitgliedsstaaten und spiegelt sich in rasant steigenden Risszahlen wider. Wir brauchen eine Lösung auf europäischer Ebene, um die damit einhergehenden Herausforderungen bewältigen und die Alm- und Weidewirtschaft auch in Zukunft erhalten zu können.“

 „Früher hat der Wolf unseren Schutz gebraucht. Heute müssen wir Maßnahmen ergreifen, um Europas Almlandschaften als Natur- und Lebensräume zu erhalten. Im Dialog mit anderen betroffenen EU-Staaten haben wir uns auf einen praktikablen Lösungsvorschlag verständigt. Mit den vorliegenden Forderungen erstellen wir den ersten länderübergreifenden Aktionsplan, der den weiteren politischen Weg vorzeichnen soll.“

 Peter Kullgren, Landwirtschaftsminister von Schweden

„Schweden ist der Ansicht, dass ein gut funktionierendes Managementsystem die Fähigkeit voraussetzt, alle Instrumente des Werkzeugkastens zu nutzen. Dies wird durch eine Aufnahme des Wolfes in Annex 5 erleichtert. Dies würde neue Möglichkeiten für ein flexibleres Management schaffen und somit das Vertrauen in das Management stärken. Ich möchte mich bei Österreich für ein produktives Treffen bedanken und freue mich auf die weitere Zusammenarbeit.“

 Hintergrundinfo

 Risszahlen

  • Österreich:
    • In AT wurden im Jahr 2022 knapp 800 Nutztiere (Schafe, Ziegen und Rinder) nachweislich von einem Wolf getötet.
    • 2021 hat es über 500 Risse gegeben, 2020 waren es noch 330.
    • Heuer gibt es bereits über 165 nachweisliche Tötungen. Über 100 Nutztiere sind bereits vermisst.
  • Schweden:
    • 2022 wurden über 250 Schafe von Wölfen gerissen oder verletzt.
    • Aktuell geht man von 400 Wölfen in Schweden aus.
  • Frankreich:
    • In Frankreich wurde über die vergangenen Jahre ein großer Zuwachs der Wolfspopulation verzeichnet.
    • 2018 waren es 387-477 Wölfe, 2022 bereits knapp 1.000 Wölfe.
    • Man geht von rund 13.000 Rissen im Jahr 2022 aus.
  • Südtirol/Italien:
    • Allein in Südtirol spricht man von über 50 Wölfen.
    • In den vergangenen 10 Jahren verzeichnete man eine Zunahme an Rissen. 2020 waren es knapp 100 Risse. 2018 waren es noch 60 Risse.
  • Deutschland:
    • In Deutschland verzeichnete man 2022 insgesamt knapp 4.500 Risse.
    • Aktuell geht man von 94 Rudeln im Bundesgebiet aus, mit alleine über 300 bestätigten Welpen.

Prioritätenliste

  1. Neubewertung des Schutzstatus bestimmter Großraubtiere in der Fauna-Flora-Habitat Richtlinie (FFH-RL)
  • Angesichts der Erholung der europäischen Wolfspopulation in den letzten Jahren wird eine Neubewertung des strengen Schutzstatus gefordert und die Möglichkeit den Wolf von Annex 4 in den Annex 5 der FFH-RL zu verschieben.
  • Es muss evaluiert werden, ob und inwieweit die derzeitige Gesetzgebung geeignet und praktikabel ist, der zunehmenden Bedrohung durch Großraubtiere zu begegnen und biodiversitätsreiche landwirtschaftliche Flächen zu erhalten.
  • Für bestimmte besonders betroffene Gebiete, in denen die extensive Landwirtschaft traditionell eine wichtige Rolle spielt (z.B. in den Alpen oder Hügelland) und Herdenschutzmaßnahmen nicht wirtschaftlich oder durchführbar sind, sind Ausnahmen von den strengen Schutzbestimmungen und eine mögliche Regulierung der Besatzdichten in den Regionen vorzusehen.
  1. Einrichtung einer europäischen Arbeitsgruppe oder eines Referenzzentrums

Die Schaffung einer europäischen Arbeitsgruppe setzt die Einbindung einer Vielzahl betroffener Einrichtungen voraus. Es wird die Notwendigkeit für eine solche gemeinsame Plattform gesehen um/für:

  • den Austausch von DANN-Analysen und Methoden unter den Mitgliedsstaaten zu fördern;
  • den Austausch und das Sammlung von Wissen über Verbreitung, Häufigkeit und Beziehungsmuster von Wolfspopulationen;
  • ein besseres Verständnis der Anforderungen, die sich aus der Habitat-Richtlinie ergeben zu fördern, um einen günstigen Erhaltungszustand aus einer überregionalen Perspektive zu erreichen, die geografische Bedingungen berücksichtigt;
  • die Erstellung und Zusammenstellung von Factsheets zu Herdenschutzprojekten, um eine evidenzbasierte Kosten-Nutzen-Bewertung und damit die Machbarkeit und Grenzen von Herdenschutzmaßnahmen zu ermöglichen;
  • die Förderung und Lösung von Diskussionen über technische Fragen (z.B. Zaunhöhen) sowie Harmonisierung unklarer Begriffe, um eine gemeinsame Auslegung und Durchsetzung der Habitat-Richtlinie zu erleichtern;
  • die Verringerung des Risikos und der Anzahl von EU-Vertragsverletzungsverfahren in Bezug auf Herdenschutzmaßnahmen im Zusammenhang mit Wolfsangriffen.