EU muss Wald ganzheitlich verstehen

Wien, 23. Jänner 2023 (aiz.info). – Am Fachtag Waldwirtschaft der Wintertagung 2023 des Ökosozialen Forums Österreich und Europa warfen die Expertinnen und Experten einen Blick auf die europäische Waldwirtschaft und Perspektiven einer Kreislaufwirtschaft in diesem Sektor. Zum Thema „Zukunft der Waldwirtschaft – Welche Rolle spielt die Kreislaufwirtschaft“ betonten sie, dass die Potenziale des Waldes stärker genutzt werden sollten, nämlich als Kohlenstoffsenke und -speicher, als Energiequelle und zur Substituierung von fossilen Brennstoffen sowie als wichtiges Element der Kreislaufwirtschaft. Wichtig ist jedoch, andere Funktionen des Waldes nicht zu beeinträchtigen und die Wälder nachhaltig und zukunftsfit zu bewirtschaften. Sie sehen zudem die EU in der Pflicht, ganzheitliche Strategien zu entwickeln, die die Heterogenität der Länder berücksichtigen, Innovation zu fördern und so eine nachhaltige Waldbewirtschaftung zu ermöglichen.

 

Pernkopf: Österreich mit ökologischster Produktion

Der Präsident des Ökosozialen Forums Österreich & Europa, Stephan Pernkopf, betonte, dass die Zahl der hungernden Menschen weltweit seit 2019 wieder zugenommen hat. „Ich halte daher nichts von einer EU-Politik, mit der wir weniger produzieren werden. Wir müssen in Europa selbst ausreichend Lebensmittel herstellen. Und wir müssen weg vom Förderband hin zur Kreislaufwirtschaft. Da bedanke ich mich für die Bemühungen beim Grünen Gas, das ein wertvoller Energieträger ist und aus Reststoffen hergestellt wird. Damit können bis zu 30% des fossilen Gases ersetzt werden.

Auch die Wald- und Forstwirtschaft leistet einen wichtigen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft. Eine weitere negative Entwicklung ist, dass wir in vielen Bereichen wie z.B. bei Medikamenten abhängig geworden sind. Wir müssen daher in Österreich eine Bevorratung mit wichtigen Lebensmitteln und anderen Produkten machen. Die Bundesregierung hat die Chance, das im Krisensicherheitsgesetz zu verankern. Als Ökosoziales Forum plädieren wir zudem darauf, zu österreichischen Lebensmitteln zu greifen, denn sie werden vor der Tür und im globalen Vergleich am ökologischsten produziert.“

 

Schmiedtbauer: Erfolgreiche Forstwirtschaft braucht den richtigen Rahmen

Simone Schmiedtbauer, Abgeordnete zum Europäischen Parlament, will im Sinne einer nachhaltigen Zukunft fossile Brennstoffe durch Holz substituieren: „Wer das Potenzial von Holz nicht anerkennt, ist gegen Weiterentwicklung.“ Auf aktuelle Herausforderungen muss adäquat reagiert werden, so Schmiedtbauer: „Vom Nichtstun kommt nichts. Der Klimawandel gefährdet unsere Wälder. Die heimische Waldwirtschaft denkt generationenübergreifend und so wird sie auch dieses Problem lösen, wenn man sie lässt. Aber in der EU fehlen der ganzheitliche Ansatz und der nötige Weitblick, so kommt es trotz hoher Ziele auf der einen zu einer Überreglementierung auf der anderen Seite. Diese Widersprüche in der Gesetzgebung müssen ausgeräumt werden, ansonsten hat es negative Folgen für ganz Europa.“ Seit der Präsentation des Green Deal 2019 hat sich Europa verändert. Die Energie- und Agrarstoffabhängigkeit ist für alle spürbar geworden. „Wir müssen unsere Wälder schützen, aber auch nützen. Der Wald gibt uns so vieles. Nutzen wir es achtsam, aber bestimmt. So wird Europa widerstandsfähig, unabhängig und zukunftsfit“.

 

Rappold: nachhaltige Waldbewirtschaftung als Schlüssel für Kreislaufökonomie

Georg Rappold, Leiter des Geschäftsfelds Holzbasierte Wertschöpfungskette im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft, unterstreicht den Nutzen der Kreislaufwirtschaft zur Reduktion des Rohstoffverbrauchs: „Der Verbrauch übersteigt die planetaren Grenzen. Daher muss über den Ersatz von fossilen Brennstoffen und die Etablierung einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft der Ressourcenverbrauch von ökonomischem Wachstum entkoppelt werden. Holz wird in diesem Zusammenhang einen hohen Stellenwert einnehmen, denn es ist vielseitig einsetzbar und trägt zur Verringerung von Emissionen durch die Möglichkeit der Substitution fossiler Brennstoffe bei.“ Gleichzeitig steigt auch die Wertschöpfung. Der Verbrauch von Holz wird daher bis 2050 um 27% ansteigen. „Der Mehrbedarf kann durch Holzmobilisierung, Vorratsabbau oder eine Mehraufforstung gedeckt werden“, so Rappold. Vorgaben der EU könnten dabei zum Problem werden, da der Verwaltungsaufwand in der Waldbewirtschaftung steigt. Rappold betont, dass „eine nachhaltige Waldwirtschaft ein wichtiger Schlüssel für eine Kreislaufökonomie und die Erreichung ökologischer Ziele ist“.

 

Kanz: mit sparsamer und effizienter Rohstoffnutzung zum Erfolg

Georg Kanz vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie sieht aktuelle Krisen als Ursache für einen steigenden „Hunger nach Rohstoffen“. Er fordert ein Ende des Wegwerftrends und dass die Kreislaufwirtschaft als Gegenmodell zur linearen Wirtschaft etabliert wird. Eine Stellschraube kann eine sparsame und effiziente Rohstoffnutzung sein: „Die Lebensdauer von Produkten muss erhöht werden und neue Designs müssen eine Trennung und Wiederverwertung der genutzten Rohstoffe ermöglichen.“ Die österreichische Kreislaufwirtschaftsstrategie soll den übergeordneten Zielen dienen, bis 2040 klimaneutral zu wirtschaften und bis 2050 die Wirtschaft komplett auf eine Kreislaufwirtschaft umzustellen. Auf EU-Ebene ist der Green Deal wichtiger Bestandteil dieser Strategie, in der Bioökonomiestrategie nennt er zwei Ziele: „Wir müssen den Verbrauch und Konsum von Rohstoffen reduzieren sowie die inländische Ressourcenproduktivität und die Zirkulationsrate steigern.“ Die Wald- und Forstwirtschaft trägt dazu entscheidend bei: „Holz eignet sich gut zur Substituierung anderer Rohstoffe, ist recyclingfähig und langlebig. Aber wir müssen alle Funktionen des Waldes berücksichtigen.“

 

Pfiffinger: Effiziente Waldnutzung als Hebel für den Klimaschutz

Gerald Pfiffinger, Geschäftsführer des Umweltdachverbandes, bekennt sich zu nachhaltiger Waldnutzung: „Es gibt die Forderung, Wälder nicht zu bewirtschaften, da sie ein großer CO2-Speicher sind. Jedoch haben Studien belegt, dass diese Funktion des Waldes zeitlich stark begrenzt und nicht langfristig wirksam ist. Die Nutzung von Holz als Ersatz für fossile Brennstoffe und eine damit einhergehende Senkung von Emissionen ist der größte Hebel für den Klimaschutz.“ Die Waldnutzung muss aber effizient und schonend erfolgen: „Wichtig ist eine klimafitte Waldbewirtschaftung mit Standort-angepassten Waldgesellschaften, der Sicherstellung der Naturverjüngung, der Förderung von Mischwäldern sowie der Wahl von geeignetem Pflanzenmaterial bei der Aufforstung.“ Bei der aktuellen Biodiversitätskrise fehlt für den Erfolg der Fokus: „Die EU versucht das Problem flächendeckend zu lösen. Die bedrohten Arten brauchen aber keine generelle Behandlung, sondern oftmals eine sehr spezielle. Um Artensterben einzudämmen und die Biodiversität zu erhalten, müssen Maßnahmen getroffen werden, die sich auf die besonders gefährdeten Arten konzentrieren und so zielgerichtet eine bessere Wirkung entfalten können“. Detaillierte Informationen zur Wintertagung 2023 sowie die Mediathek sind unter oekosozial.at zu finden.